„Orest in Mossul“ startet Gastspieltournee / Nächste Saison im NTGent & beim IIPM / Milo Rau dreht Jesusfilm

Etwas vom Wertvollsten, was dem Regisseur je geglückt ist“ (NZZ), gar „ein neuer Maßstab für Klassikerbearbeitungen“ (NRC) sei „Orest in Mossul“, Milo Raus neueste Inszenierung, die am 17. April am NTGent seine belgische Premiere feierte. Am Freitag, 17. Mai, kommt die belgisch-deutsch-irakische Koproduktion in Anwesenheit mehrerer irakischer Teammitglieder nun ans Schauspielhaus Bochum zur deutschen  Erstaufführung.

Während die internationale Tour von „Orest in Mossul“ (UA Mossul, 27. März 2019) weitergeht, arbeiten der Schweizer Regisseur und sein Team bereits an  der nächsten Inszenierung. Im Sommer beginnen die Dreharbeiten zu „Das Neue Evangelium“, einem modernen Jesus-Film. Gemeinsam mit Flüchtlingen, Bauern sowie Darsteller*innen der Jesus-Filme von Pier Paolo Pasolini bis Mel Gibson wird Milo Rau in und um Matera, der europäischen Kulturhauptstadt 2019, die Passion Christi neu verfilmen.

Doch das ist nicht alles. Gemeinsam mit einer Schauspielerfamilie wird Rau eines der berüchtigtsten Familien-Verbrechen Belgiens auf die Bühne bringen. Und in Brasilien entsteht mit der Bewegung der Landlosen ein großes Performance-Projekt. Interessiert? Hier finden Sie das Spielzeitheft 2019/20 des NTGent.


>>>„Ein neuer Maßstab für Klassikerbearbeitungen“: nach Premieren im Irak und in Belgien feiert „Orest in Mossul“ deutsche Erstaufführung 

Atemberaubend, von der ersten bis zur letzten Minute“ (De Tijd), eine „zutiefst politische Inszenierung“ (Deutschlandfunk), „eine globale zeitgenössische Tragödie“ (NZZ), die durch ihre „Demut und Würde“ (Schweizer Fernsehen RTS) besteche – so urteilten die Kritiker*innen anlässlich der belgischen Uraufführung in Gent. Zuvor hatten Reporter*innen der New York Times, der FAZ, des Standaard und des Senders ARTE die Proben im zerstörten Mossul begleitet.
„Kann ein Theaterstück eine zerrissene Stadt heilen?“, fragte die NYTimes in ihrer Reportage. Auch das deutsche SZ Magazin widmete dem Projekt eine von Armin Smailovic wunderbar bebilderte Titelgeschichte. Rau selbst beschrieb – kritisch und nachdenklich – in der taz und im Tagesanzeiger die künstlerische und ethische Grenzerfahrung, der er sein Team in Mossul ausgesetzt hatte.
Was heißt es, Kunst zu machen im Kriegsgebiet? Ist künstlerische Solidarität zwischen Europa und dem Irak überhaupt möglich? Wo endet sinnvolle Kooperation und wo beginnt lebensgefährlicher Katastrophentourismus? Zu „Orest in Mossul“, das gemäß der Süddeutschen Zeitung den „Irrsinn, aber auch die Grenzen“ des von Rau propagierten „Globalen Realismus“ aufzeige, findet in Kooperaton mit der Academy of Fine Arts Mosul und dem Goethe-Institut Erbil ab kommendem Donnerstag ( 16.5.) eine Veranstaltungsreihe statt.
Los geht es diesen Donnerstag (16.5.) in Bochum mit einem Gespräch zwischen dem Theaterprofessor und Schauspieler Suleik Al Khabbaz sowie dem Erbiler ISIS-Spezialist Sardar Abdullah, beide Mitarbeiter bei „Orest in Mossul“. Gemeinsam mit Milo Rau und dem Bochumer Intendanten Johan Simons, Koproduzent von „Orest in Mossul“, denken sie über die Zukunft globalen Theaters nach. Weitere Termine werden im Lauf der kommenden Wochen auf der Homepage des NTGent bekannt gegeben.


>>> „Milo Rau macht das Theater in Gent zum Mittelpunkt Europas“: Saisonpräsentation 2019/20 in Gent     

„Milo Rau macht Gent zum Zentrum Europas“, urteilte die NZZ kürzlich anläßlich der belgischen Premiere von „Orest in Mossul“. Künstler*innen von allen Kontinenten, von Flandern bis Syrien und vom Kongo bis Brasilien sorgten in den vergangenen neun Monaten in Gent für ein alle kulturellen Grenzen sprengendes Theaterexperiment. Angetreten mit dem Anspruch, „eine Kunst auf Augenhöhe der globalen Marktwirtschaft“ zu machen, wurden die Möglichkeiten eines international agierenden „Stadttheaters der Zukunft“ bis an seine Grenzen – und oft darüber hinaus – ausgereizt.
Ein konsequent interkulturelles und interdisziplinäres Ensemble, ein durchgehend mehrsprachiger Spielplan, Tourbetrieb auf 5 Kontinenten: „Gent könnte ein Ort sein, auf den man in den kommenden Jahren schauen und von dem man lernen kann, wenn man herausfordernde, unermüdlich neugierige und vor allem bürgernahe Arbeiten produzieren und präsentieren und sich seiner historischen Vergangenheit stellen will“, schrieb die englische Kritikerin Verity Healey anläßlich des vom NTGent gemeinsam mit Vooruit, CAMPO und Black Speaks Back im Februar veranstalteten Dekolonisierungs-Festivals „Same Same but Different“.
Wie geht es weiter mit dem „globalen Ensemble“? Wohin reisen das IIPM und das NTGent im nächsten Jahr? Während diese Woche die erste internationale Produktion des deutschen Regisseurs Ersan Mondtag (Dramaturgie: Eva-Maria Bertschy) am NTGent Arca Premiere feiert – erarbeitet zusammen mit dem Tänzerinnen-Duo Les Mybalés Nathalie und Doris Bokongo Nkume  – fandt am 22. Mai in der NTGent Schouwburg die öffentliche Präsentation des Spielplans 2019/20 statt. Hier finden Sie das Spielzeitheft des NTGent 2019/20


>>> „Das Neue Evangelium“ – Milo Rau dreht Jesus-Film in Italien 

Was würde Jesus im 21. Jahrhundert predigen? Wer wären seine Jünger? Und wie würden die heutigen Träger weltlicher und geistiger Macht auf die Wiederkehr und Provokationen dieses einflussreichsten Propheten und Sozialrevolutionärs der Menschheitsgeschichte reagieren? Mit „Das Neue Evangelium“ kehren Milo Rau und sein Team an die Grundquellen des Evangeliums zurück und inszenieren es als Passionsspiel der Armen und Entrechteten. In Matera in Süditalien, am Ort der großen Jesus-Filme von Pasolini bis Mel Gibson, entsteht mit einem Cast aus Flüchtlingen, arbeitslosen Kleinbauern sowie Darsteller*innen der klassischen Jesusfilme ein Neues Evangelium für das 21. Jahrhundert.
„Jesus war ein Sozialrevolutionär, Anführer einer Landlosen-Bewegung. Ich habe mich gefragt: Wer sind jetzt die Landlosen und wer könnte ihr Anführer sein?“, erzählt Rau im Gespräch mit dem Journalisten und Herausgeber Jakob Augstein. „Denn mit wie vielen Millionen Matera auch von der Kommission der EU für die Feiern zur „Kulturhauptstadt Europas“ hergerichtet werden mag: Man muss sich nur einige Kilometer vom touristischen Zentrum entfernen, um mitten in jenem Gebiet der EU anzukommen, in dem sich alle Widersprüche der neoliberalen Weltordnung konzentrieren“, so der Regisseur weiter in der Pressemappe des Projekts.
Ein auf eine halbe Million Menschen geschätztes Heer von afrikanischen Sklavenarbeitern vegetiert in den über die Landschaft verteilten Lagern und Ghettos dahin, nur um auf den Tomaten- oder Orangenplantagen für eine Handvoll Euro pro Tag ausgebeutet zu werden. Zusammen mit diesen Entrechteten entsteht so ab Mai eine Neuverfilmung der Passion Christi: ein Manifest der Solidarität, eine Revolte für eine gerechtere, humanere Welt. Wie bereits für den sowohl den Schweizer wie den Deutschen Filmpreis nominierten Film „Das Kongo Tribunal“ arbeitet das IIPM auch für diesen neuen Film wieder mit Fruitmarket GmbH und Langfilm Zürich zusammen.
Zum Start der Dreharbeiten findet am 6. Juni in Matera eine öffentliche Pressekonferenz in Anwesenheit des Regisseurs und des Hauptdarstellers stat