Milo Rau wird für 2017 mit der Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik geehrt
Milo Rau wird für 2017 mit der Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik geehrt. In der Begründung heißt es: „Mit größter Konsequenz spürt Rau in seinen Arbeiten dem weltumspannenden Innenraum des Kapitals, seinen Alpträumen und Hoffnungen, seinen Unter- und Gegenwelten nach. Die Saarbrücker Poetikdozentur für Dramatik ehrt mit Rau einen der konsequentesten Denker des Theaters der Gegenwart und einen der wichtigsten Wegweiser für ein Theater, das sich intellektuell wie ästhetisch den Krisen der Gegenwart zu stellen und an der Erarbeitung von Antworten zu beteiligen sucht.“ (Komplette Begründung und alle Termine hier)
Als erste Universität des deutschsprachigen Raumes richtet die Universität des Saarlandes seit dem Wintersemester 2011/12 jährlich die europaweit einzige Poetik-Dozentur nur für Dramatik aus. Nach Rimini Protokoll, Roland Schimmelpfennig, Kathrin Röggla, Albert Ostermaier und Falk Richter ist Milo Rau der 6. Inhaber der renommierten Dozentur. In Begleitung zur Poetik-Dozentur findet an der Universität des Saarlandes ein Seminar zum vielgestaltigen, insgesamt aus über 50 Büchern, Filmen, Theaterstücken, Ausstellungen und Aktionen bestehenden Werk von Milo Rau und seinem IIPM – International Institute of Political Murder statt.
Für 2017 erarbeiten Rau und das IIPM zudem mit verschiedenen Partnern eine Inszenierungs-Reihe unter dem Titel „Histoire du Théâtre“ („Geschichte des Theaters“), in der sie den Grundkoordinaten ihrer Ästhetik nachgehen. „Histoire du Théâtre“ und die Saarbrücker Poetikdozentur schließen so eine mehrjährige Reflexion über das Einfühlungs- und Repräsentationsinstrumentarium der darstellenden Künste ab. Diese hat mit „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“ (2015) und „Five Easy Pieces“ (2016) begonnen und wird aktuell am Schauspielhaus Zürich mit „Die 120 Tage von Sodom“ (Premiere im Februar 2017) weiter fortgeführt. 2018 erscheinen Raus Vorlesungen der Poetik-Dozentur unter gleichnamigem Titel in Buchform („Histoire du Théâtre/Geschichte des Theaters“).
Der u. a. durch Russland, Spanien, Schweden, Italien, Griechenland, Serbien, die Schweiz und demnächst wieder Frankreich tourende Doppelmonolog „Mitleid“ mit Ursina Lardi und Consolate Sipérius in den Hauptrollen gleiche der „Geburt des Meta-Theaters aus dem Geist des Zynismus“, hatte die FAZ anlässlich der Premiere an der Berliner Schaubühne im Januar geschrieben. Am 27. und am 28. November 2016 wird nun das zu der Inszenierung entstandene Hörspiel vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) urgesendet (Redaktion: Isabel Platthaus). Auch die im September mit „Empire“ vollendete Europa-Trilogie wechselt das Medium: Zu dem monumentalen, seit 2014 tourenden „Porträt Europas von der Intimität eines Kammerspiels und der Wucht einer antiken Tragödie“ (ORF) entsteht nach der Buch- nun auch eine Filmfassung (Aufnahmeleitung: Mirjam Knapp). Im Frühjahr 2017 wird der Film erstmals am Theater Freiburg komplett zu sehen sein.
Die europaweit wohl meistdiskutierte Inszenierung der laufenden Saison, die deutsch-belgisch-schweizerische IIPM/Campo-Produktion „Five Easy Pieces“, die nach einer Tour durch 9 Länder im November im Frankfurter Mousonturm gar nicht und an den Münchner Kammerspielen zuvor nur in zensierter Fassung gezeigt werden durfte, wird am 2. und 3. Dezember in der Kaserne Basel erstmals wieder in seiner Berliner Premierenfassung im deutschsprachigen Raum zu sehen sein. Als „ganz großes Theater, menschlich, sensibel, intelligent und politisch“ beschreibt das belgische Fernsehen (RTBF) das bereits vielfach ausgezeichnete Stück: „Ein Theaterstück jenseits aller bekannten Maßstäbe.“ Neben vielen anderen Spielorten wird „Five Easy Pieces“ in der Spielzeit 16/17 noch in Valenciennes, Zürich, Gent, Amsterdam, Lausanne, Paris und Barcelona zu sehen sein.