+++ „DIE KOLWEZI HEARINGS“ : DAS KONGO TRIBUNAL TAGT IN KOLWEZI (OSTKONGO) UND KLAGT DEN ROHSTOFFRIESEN GLENCORE AN +++
Nur wenige Wochen, nachdem das größte Daten-Leak der afrikanischen Finanzgeschichte das Ausmaß der Korruption unter dem kongolesischen Ex-Präsidenten Kabila gezeigt hat, widmet sich das „Kongo Tribunal“ in einer mehrtägigen Sitzung vom 9. bis 11. Dezember in Kolwezi (Ostkongo) der Verantwortung von politischen Eliten und multinationalen Unternehmen in der kongolesischen Bergbauindustrie.
Mit dem ersten „Kongo Tribunal“ begaben sich Milo Rau und das IIPM 2015 mitten ins Epizentrum des Kongo-Krieges. Das insgesamt 30stündige Tribunal führte zu einem weltweiten Medienecho: „Das ambitionierteste politische Theaterprojekt, das je inszeniert wurde“, urteilte die Zeitung THE GUARDIAN, und fügte hinzu: „Ein Meilenstein.“ „Ein Wahnsinnsprojekt“, schrieb die ZEIT: „Wo die Politik versagt, hilft nur die Kunst.“
Vom 9. bis 11. Dezember 2021 werden die Untersuchungen des „Kongo Tribunals“ – ein Weltwirtschaftsgerichtshof der Zivilgesellschaft – in der Bergbauregion Kolwezi weitergeführt, wo der Rohstoffgigant Glencore zwei der größten Kobaltminen der Welt betreibt. Während drei Tagen untersuchen das Prädsidium und die internationalen und lokalen Jury-Mitglieder die Verantwortung von politischen Eliten und multinationalen Unternehmen in einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen, Fällen von Umweltverschmutzung und Korruption.
Nach den ersten Befragungen in Kolwezi und den Vorverhandlungen am Schauspielhaus Zürich im Oktober 2020, wenige Wochen vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz, finden im Dezember 2021 im Plenarsaal des Provinzparlamentes in Manika Kolwezi die Schlussverhandlungen in den vier Fällen (Pressemappe) statt. Bei den “Kolwezi Hearings“ unter der Leitung Sylvestre Bisimwas und der kongolesischen Anwältin Céline Tshizena werden die Opfer, Zeug:innen, Kleinschürfer:innen, Vertreter:innen und Kritiker:innen von Minenunternehmen, Politiker:innen, Journalist:innen und Expert:innen befragt. Sie enden mit einem finalen Urteil der internationalen und lokalen Jury.
Die „Kolwezi Hearings“ sind nach den „Bukavu Hearings“ (2015), den „Berlin Hearings“ (2015) und den „Zurich Hearings“ (2020) die vierte Untersuchungsetappe des „Kongo Tribunals“. 2015 ließ der Regisseur Milo Rau erstmals im Ostkongo, in einer Region, die bis heute als Bürgerkriegsgebiet gilt und wo regelmäßig Massaker verübt werden, in einem symbolischen Theatertribunal drei exemplarische Fälle vor einer unabhängigen Jury verhandeln. Damit schuf er ein Modell für ein internationales zivilgesellschaftliches Tribunal zu den im Kongo verübten Massenverbrechen und Wirtschaftsverbrechen. Es gelang das scheinbar Unmögliche: Beteiligte aus allen Lagern versammelten sich im Theatersaal und machten ihre Aussagen als Zeug:innen und Expert:innen.
Der Erfolg dieser symbolischen Verhandlungen war durchschlagend, weil erstmals in zwei Jahrzehnten ein öffentlicher Raum geschaffen wurde, in dem die Opfer von Vertreibung, Enteignung, Vergewaltigung und Mord, von Massakern und Plünderungen ihre Anliegen und Anklagen vorbringen konnten und von der Regierung sowie von einem lokalen und internationalen Publikum angehört wurden: „von unschätzbarem Wert für unser Land“ (Denis Mukwege, Träger des Friedens-Nobelpreises).